Prosa


"Mit Worten lässt sich trefflich streiten."

Johann Wolfgang von Goethe

Eine *von vielen* Geschichten über das Glück


Er experimentiert mit einem Krankheitserreger, einem Bakterium - Staphylococcus aureus.
Soll ich ihn unterbrechen, um ihm zu sagen, dass der Zug in zehn Minuten abfährt?
„Sir, der Zug wird in 10 Minuten den Bahnhof verlassen, wir sollten uns schleunigst auf den Weg machen.“
Er kippt die Flüssigkeit einer Petrischale in den Abguss und lässt sie auf dem Labortisch stehen. Soll ich ihm raten, dass er sie noch säubern sollte, bevor er seinen Urlaub antritt?
„Wir sollten uns wahrhaftig beeilen. Pryce, Sie fahren mich zum Bahnhof.“
„Selbstverständlich, Sir.“

„Der Urlaub war sehr entspannend, Pryce. Aber nun ist es Zeit, die Arbeit wieder aufzunehmen. Fahren Sie mich bitte zu meinem Labor im St. Mary’s Hospital.“
Er betritt den Laborraum. Aber was ist denn das? Die Petrischale, sie ist von einer grünlichen Substanz bedeckt.
„Pryce, sehen Sie sich das an. In der Petrischale hat sich ein Schimmelpilz gebildet, der den Staphylococcus aureus ringsum zerstört hat.“
„Sind Sie sicher, dass dies ein Schimmelpilz ist?“
„Aber ja, diese gefärbten Sporen, dieser modrige, muffige Geruch. Eindeutig!“
Er beginnt, die bakterientötende Substanz aus dem Schimmel zu extrahieren.
Er hält die extrahierte Substanz hoch.
„Pryce, ich glaube wir haben hier etwas Großartiges entdeckt.“
„Ja, welch‘ ein Glück!“
„Glück?“
„Ja, Sir, Glück!“


                                                                                                                                                     
                                                                                                                                                                                                                           Julia-Elodie Boller
 


Wie wäre Glück, wenn…?


Ich glaube, Glück ist unscheinbar.


Für jeden ist Glück etwas anderes und niemand kann konkret sagen was Glück ist.
Aber wie wäre Glück wohl, wenn man davon eine ganz genaue Definition hätte?
Wie Glück dann wohl aussähe?
Wie würde es riechen oder schmecken oder sich anfühlen?
Ich glaube, Glück würde sich wie eine frische grüne Sommerwiese anfühlen. Genauso weich und angenehm. Es würde auch etwas kitzeln, sodass man lachen muss. Genauso als würde Glück verspüren.
Wenn man Glück hören könnte, wäre es eine leise, aber schöne und sanfte Melodie, die man jeden Tag hören möchte. Man muss jedes Mal mitsummen und sie erfüllt einen mit Freude.
Wenn man Glück riechen könnte, würde es genauso vertraut und wohlig wie Zuhause riechen.
Und wenn man Glück sehen konnte, wäre es wohl genauso glänzend und zerbrechlich wie ein Fensterglas.
Glück würde genauso wie Wasser befriedigend und erfrischend schmecken aber für die meisten schmeckt nur Wasser neutral und fade.
Die meisten können den Geschmack von Wasser nicht wahrnehmen.
Die meisten können das Glück nicht wahrnehmen, denn Glück ist so unscheinbar.
Die meisten sehen das Fensterglas nicht mehr, weil sie hindurchgucken.
Die meisten riechen den vertrauten Duft nicht mehr, weil sie zu lange in ihrem Haus waren.
Die meisten hören die leise Melodie nicht mehr, weil es zu viele Nebengeräusche gibt.
Die meisten spüren den Grasboden unter den Füßen nicht mehr, weil sie schon zu lange darauf gestanden sind.
Die meisten fragen sich, wo das Glück denn die ganze Zeit gewesen ist, aber ich frage den Leser dieses Textes, ob er das Glück überhaupt war genommen hat, denn Glück ist so unscheinbar
Aber wenn man anfängt, jeden Schluck Wasser zu genießen, wird man das Glück wieder schmecken können. Ändert man den Blickwinkel, sodass sich das Licht im Fensterglas spiegelt, wird man das Glück wieder sehen können. Lüftet man das Zimmer mit frischer Luft, wird man das Glück wieder riechen können. Wenn man die Hintergrundgeräusche ausschaltet wird man das Glück wieder hören können und um es wieder fühlen zu können, muss man nur seine Schuhe und Socken ausziehen.
Anfangs Piksen die Gräser gegen die nackten Füße und das Licht blendet in den Augen. Das Zimmer wird kalt, wenn man es lüftet und es ist nicht einfach Hintergrundgeräusche auszuschalten, um einer Melodie zu lauschen. Auch ist es nicht einfach in der aktuellen Lage unser Glück zu erkennen.
Aber wenn wir uns alle anstrengen und unser Glück gemeinsam suchen, wird es für uns alle sichtbar und wir erkennen wieder, was Glück ist.
Obwohl Glück doch so unscheinbar ist.

 

Mendy Mbonyumuhire 9a


Ins Glück fliegen

Mir bleibt keine Zeit mehr. Ich merke wie ich immer schwächer und schwächer werde. Obwohl mir bewusst ist, dass ich nicht mehr lange habe, bleibe ich ganz ruhig, da ich sowieso nichts daran ändern kann. Heute war der beste Tag meines Lebens, schade dass es nun schon bald vorbei sein wird.
Ich bin heute mit der Sonne aufgewacht, es war wunderschön. So etwas Großartiges hatte ich noch nie gesehen. Der Himmel war ein riesiges Meer aus Farben und ich war der Reiter davon. Ich flog und fühlte die Freiheit, nichts konnte mich stoppen, doch dann sah ich sie. Ihre Silhouette spiegelte sich im Teich, der die Welt umgab. Es fühlte sich magisch an. Langsam kam ich auf sie zu, um sie nicht zu erschrecken. Ich sah sie an, sie sah mich an und wir waren eins. Ich war glücklich, denn zum ersten Mal fühlte ich mich geliebt. Der Moment gehörte nur uns beiden. Doch dann blickte ich mich um, nicht lange, aber lang genug, sodass alles verflogen war. Ich wurde ersetzt. Schmerzen überfluteten mich, nun war ich nicht mehr der Reiter. Ich war traurig, doch ich wusste, die Zeit hätte uns eingeholt. Die Uhr tickte, sodass ich meinen Kummer vergaß. Ich flog weiter, dort wo der Wind mich als Nächstes hintragen sollte. Dabei sah ich alles, aber eigentlich auch so wenig. Ich kam an einen Ort weit weg von dem Teich. Dort war es hektisch. Nicht nur die Zeit hatte es eilig. Auch die Riesen. Ich begegnete vielen Riesen, jedoch sympathisch war mir keiner. Hier war es nicht schön, ich begann den Teich zu vermissen. Ich fühlte mich klein und unbedeutend. Hier mochte ich es nicht. Denn ich war nicht willkommen. Denn ich wollte nicht hektisch sein. Ich wollte leben. Ich wollte weiterziehen, aber ich konnte nicht. Ich wurde festgehalten. Es schien keinen Ausweg zu geben. Der Riese beobachtete mich. Wieder fühlte ich mich klein. Verzweiflung kam in mir auf. Aufgeben tauchte in meinen Kopf auf, weshalb ich wütend wurde. Nicht wütend auf den Riesen, sondern wütend auf mich selbst. Doch plötzlich war sie da. Die Chance, ich entfloh, ich war frei.
Ich entschloss zurück zu fliegen, dorthin wo alles angefangen hatte. Ich ließ mir Zeit, denn ich war keiner der Riesen. Trotzdem war ich froh, rechtzeitig mit der Sonne unterzugehen. Es war wunderschön. Bald darauf erblickte ich in dem schwarzen Meer Lichtkugeln. Sie funkelten heller, als ein Diamant es je könnte. Der Augenblick näherte sich, dass wusste ich, trotzdem war ich glücklich. Mein Leben war nicht immer schön, doch das ist gut. Dadurch bekam ich die Gabe dahinter zu sehen, ich sah was vielen Riesen verwehrt bleibt. Mein Bewusstsein verschärfte sich für das, was schön war. Ich war zufrieden.
Mein Leben ist mit dieser Zeile vorbei, deines aber nicht.
-Eintagsflieg

 

Livia Kaiser, 11a


Zwischen Schein und Sein (ursprünglicher Titel: Die Lehre des Glücks)

Es ist nicht so, dass das Leben immer schön ist, oder dass alles immer schlecht ist.
,,Ach nein! So kann ich nicht anfangen."
Ok, liebes Tagebuch ich weiß nicht wie man  Tagebücher schreibt oder ob man so tut als würde man mit einem Freund reden, aber ich muss einfach meine persönliche Lehre festhalten:
Ich heiße Luke bin jetzt 15 und habe einiges gelernt in ein paar Stunden! Ich hatte ein durchschnittliches Leben und es hing mir zu den Ohren raus. Jeder Tag war gleich strukturiert. Ich fand, es war sehr langweilig! Ich wurde jeden Tag von meiner Ma geweckt und zusammen mit meiner großen Schwester und meinem kleinen Bruder von Pa zur Schule gebracht. Ich hatte ein paar Freunde in der Klasse, Emily saß wie jeden Tag auf ihrem Platz neben Mike ich setzte mich auf die andere Seite von Mike und wir sprachen darüber wie toll Emily ihren neuen Pool fand. Kurz vor Unterrichtsbeginn kam auch Nick und setzte sich wie immer neben mich. ,,Emily hat einen neuen Pool?" ,,Ja ich wundere mich immer noch warum sie nicht mit den reicheren Kindern aus der Klasse rumhängt..."  ,sagte ich gelangweilt. ,,SIE hängt mit euch herum, weil SIE euch mehr mag als die REICHEN KINDER!" Emily hatte das gehört und rollte mit den Augen. ,,Guten Morgen Kinder setzt euch bitte alle auf eure Plätze." Da war auch schon Frau Müller, kündigte uns wieder eine Klassenarbeit nach den Ferien an und begann dann mit dem langweiligsten Fach der Welt: Mathe.

,,Hey Emmi, ich hab eine Frage, darf ich ein paar Tage bei euch wohnen? Ich halte es zu Hause nicht mehr aus." ,,Ja klar Lu" ,,Nenn mich bitte nicht Lu das klingt wie ein Mädchenname!" Wir mussten beide lachen. mit ihr hatte ich ein bisschen Spaß.
Am Nachmittag kam ich dann mit einer Tasche bei ihr an. Ihr Butler brachte mich zu ein Gästezimmer in dem Emily schon wartete. ,,Hey wissen deine Eltern schon Bescheid?" ,,Naja ich habe ihnen eine Nachricht  hinterlassen." ,,Okay pack erst mal aus und dann schau dir mal meine Nachbarschaft an." Ich hatte keine Ahnung, warum ich dies tun sollte aber ich tat es. Die Villa gegenüber sah aus wie die von Emilys Familie. Sie erzählte mir einiges über die Familien in ihrer Nachbarschaft. Hier lebte ein Junge, dem es an Geld nicht fehlte, jedoch waren seine Eltern jeden Tag  bis spät abends arbeiten und hatten kaum Zeit für ihn. Neben Emilys Villa wohnten Zwillinge, die in ihrem großen Garten spielten, doch kurze Zeit später fuhr ein Auto vor und ihr Vater holte sie ab, da ihre Eltern getrennt lebten. Daneben stand ein Haus, in dem eine alleinerziehende Mutter, deren Sohn in der Schule gemobbt wurde, lebte doch die Mutter konnte nicht sehen, dass es ihrem Sohn nicht so gut geht, weil sie arbeiten musste um sich und ihren Sohn über die Runden zu bringen.
Schließlich kamen wir wieder bei Emily an und ihr Vater sagte zu ihr: ,,Beeil dich mal ein bisschen ich möchte meinen Anzug in zehn Minuten gebügelt!" Sie teilte dem Dienstmädchen die Aufgabe mit und ihr Vater schrie: ,,Gefeuert! Wie kannst du es wagen deine Aufgabe an ein anderes Dienstmädchen abzugeben?!" Ich konnte Emily ansehen, dass sie kurz davor war zu weinen. Sie flüsterte: ,,Dad... Ich bin deine Tochter du kannst mich nicht feuern" ,,Oh Prinzessin tut mir leid!" wir gingen in Emilys Zimmer und sie fing an zu schluchzen: ,,Dad hat Alzheimer... er hat ab und zu Gedächtnislücken und Mum bekommt das nicht mit da sie den ganzen Tag in ihrem Büro sitzt und schreibt, oft schläft sie sogar dort." Eine halbe Stunde später kam ihr Dad rein und schenkte ihr einen Sattel für ihr Pferd. Kaum war er weg begann sie: ,,Ich bekomme alles, was ich will aber eines nicht und das ist ein Vater, der an mich denkt und weiß, wer ich bin. Er denkt Geld und teure Geschenke sind alles." ,,Emily..." ich hatte endlich verstanden, warum sie mir die Nachbarschaft zeigen wollte. Und sie wollte mir zu verstehen geben wie viel Glück ich hatte eine heile Familie, stabile Freundschaften zu haben. ,,Du hast recht, meine Familie liebt sich und das ist wichtiger als alles Geld der Welt. Ihr Gesicht hellte sich ein Wenig auf und Emily rannte zum Telefon, rief einige Leute an.
Am nächsten Morgen nach einem schönen Frühstück auf der Terrasse klingelte es an der Tür und mein kleiner Bruder meine Schwester, Nick, Mike und meine Eltern standen vor der Tür.
Wir verbrachten eine schöne Ferienwoche bei Emily und Nick, Mike und ich werden uns abwechseln um am Wochenende zu Emily zu gehen, damit sie sich nicht so alleine fühlt.
Liebes Tagebuch! Ich bin froh, dass ich dies mit dir teilen konnte. Jetzt weiß ich was im Leben wirklich zählt. Ich habe echtes Glück!
Ende Luke
,,Ohje also Anfang und Ende in ein Tagebuch eintragen muss ich wohl noch üben"

 


Phoebe Höfler-Robitsch 8a


Mal aus einer anderen Perspektive...


Es waren einmal drei Paar Schuhe, täglich mussten sie stinkende und manchmal gut duftende Füße tragen. Sie freuten
sich immer auf den Abend, da sie dann Pause hatten und ohne irgendwelche Füße in sich ausruhen konnten. Leider waren
die menschlichen Wesen nach einem anstrengenden Tag ausgelaugt, und das kam oft vor und schmissen dann ihre Schuhe
in die Ecke oder stellten sie an verschiedene Plätze. Eines Abends klagten die Schuhe miteinander, als sie nebeneinander
standen, und das kam sehr selten vor. Ein Schuhpaar bestand zwar aus zwei Schuhen, doch waren sie eins und sprachen
stets gleichzeitig, manches Mal vielleicht etwas versetzt. Das erste und größte Schuhpaar, namens Schrumpf und Dumpf
begann mit seiner Klage: „ Oh, jeden Tag sehen wir die ganze Welt nur von unten, werden immer auf Asphalt und Dreck
gepresst. Nie sehen wir Gesichter oder die Baumkronen!“ Das nächste Schuhpaar setzte ein, das die andern übrigens
Lundel und Dundel nannten: „ Oh, jeden Tag sehen wir die ganze Welt nur von unten, werden immer auf harte Böden und
nasse Wiesen gepresst. Nie sehen wir Köpfe oder Äste!“
Zuletzt klagte auch das dritte Schuhpaar, das als Schrindel und Lindel bekannt war: „Oh, jeden Tag sehen wir die ganze
Welt nur von unten, werden immer auf kalte Straßen und kahle Steinplatten gepresst. Nie sehen wir mehr als
unseresgleichen, die schwitzend und angestrengt an den anderen Füßen hängen.“
So ging es lange hin und her, Klagen über Klagen über Klagen, bis ihnen nichts mehr einfiel. Zu diesem Zeitpunkt war es
aber schon wieder Morgen, die stinkenden Füße schlüpften wieder in sie rein und alles ging von vorne los. Ob Schrumpf
und Dumpf, Lundel und Dundel und Schrindel und Lindel abends wieder zusammen stehen würden, war dem Lauf des Tages
überlassen. So kam es, dass Schrumpf und Dumpf abends unter der warmen Heizung landeten. Lundel und Dundel dagegen
wurden in eine Ecke geschmissen und Lindel lag einsam auf einem orangenen Teppich, während Schrindel schön platziert
im Regal neben anderen Artgenossen stand. Mit denen sprach er jedoch nicht, da es ihm ohne seinen Freund und Zwilling
nicht möglich war, zu reden. Seine Stimme funktionierte alleine nicht. So harrte er die ganze Nacht, traurig und allein
aus. Erst als er ruckartig aus dem Schlaf gerissen wurde, sah er seinen Zwilling wieder, der zuvor aufgeregt gesucht
worden war. Schrindel war das egal, Hauptsache er hatte seinen Lindel wieder. Obwohl er wenig später wieder in einem
Fuß steckte, der heute noch mehr stank als sonst, war er glücklich. Er vergaß seine Klagen und genoss den ganzen Tag
über die Zweisamkeit. Das Glück wollte nicht enden, denn abends landeten sie gemeinsam unter der warmen Heizung.
Sogar ihre Freunde hatten es an diesen tollen Ort geschafft. So kuschelten sie den ganzen Abend, während sie dabei
zusahen wie die Füße, die tagsüber in ihnen steckten in Wuschelsocken an ihnen vorbeisausten. Diese Socken mochten sie
überhaupt nicht gern, denn sie machten den Tag am Fuß noch enger und unbequemer und nervten mit ihrem
Enthusiasmus darüber, dass alles so warm und kuschelig sei. Auf jeden Fall sah man diese gerade lächelnd den Lichtern
und Ästen nachschauen, die auf dem Boden hinterhergeschleift wurden. Einmal im Jahr durften Schrumpf und Dumpf,
Lundel und Dundel und Schrindel und Lindel einen Baum im Ganzen sehen, der auch noch beleuchtet und geschmückt war.
Sie wussten zwar nicht warum die menschlichen Wesen das taten, aber immer wenn die Wuschelsocken in ihre Leben
traten, wussten sie, dass diese tolle Zeit bald kommen würde.
Diese tolle Zeit, in der es überall herrlich nach Zimt und allerlei anderen Gewürzen duftete, in der alle herrlich sangen und
buntes Papier auf dem Boden lag. Das beste an dieser Zeit war, dass die Füße mit ihren Wuschelsocken zufrieden waren
und nicht oft das Haus verließen. Und wenn sie das taten, zogen sie andere , schickere Artgenossen vor. Es war eine Zeit
der Ruhe, der Wärme und der Entspannung.
Und da alles sauber und ordentlich sein musste blieben auch die Schuhpaare unter der warmen Heizung stehen.
Sie wussten, dass der heilige Abend da war, wenn keine Füße mehr in der Nähe waren und das Haus in vollkommener Stille
lag.
Dann und nur dann hörten sie, nachdem die Kirchturmuhr zwölf mal geschlagen hatte, leise Glöckchen klingeln. Kurz
darauf war ein Poltern zu hören und schwarze glänzende Stiefel sprachen zu ihnen: „Ho, Ho, Ho, ihr lieben Schuhe. Wir
sind Glanz und Kranz, die Träger und Stützer des Weihnachtsmannes.
Ihr habt das ganze Jahr über so harte Arbeit geleistet und euch damit einen Wunsch verdient, den wir euch erfüllen
möchten!“ Schrumpf und Dumpf, Lundel und Dundel und Schrindel und Lindel konnten ihr Glück kaum fassen. Alle
gemeinsam sprachen sie ihren sehnlichsten Wunsch aus: „ Oh, wir sehen die ganze Welt immer nur von unten...Der Boden,
die Erde, die Straßen werden uns langweilig, so gerne wollten wie alles einmal von oben sehen. Von oben ist die Welt
bestimmt viel schöner!“ Glanz und Kranz lächelten und antworteten: „ So soll es sein!“
Voller Vorfreude schlossen sie die Augen und als sie diese am Weihnachtsmorgen wieder öffneten, blickten Sie auf eine
schneebedeckte Landschaft. Wunderschön lag diese unberührt und magisch in zauberhafter Stille. Schrumpf und Dumpf,
Lundel und Dundel und Schrindel und Lindel hingen an einer sehr hohen und alten Eiche, allein ihre Schnürsenkel hielten
sie fest. Zunächst freuten sie sich unglaublich, lachten, tanzten und schaukelten hin und her. Diese unbändige Freude
wurde sogleich zu einem friedlichen und stillen Beisammensein, denn sie genossen einfach nur die magische Atmosphäre.
Irgendwann wurde die Stille von leisen Stimmen unterbrochen. Menschliche Wesen stapften durch den Schnee. Nun war
der Moment gekommen, in dem die am Baum hängenden Schuhe endlich Gesichter, Köpfe und ganze Körper sahen. Dort
liefen drei Körper mit jeweils einem Kopf und einem Gesicht. Jeder sah unterschiedlich aus und auf seine Weise perfekt.
Und irgendwie waren diese Geschöpfe den Schuhen vertraut. Warum wussten sie nicht, sie hatten sie noch nie zuvor
gesehen. Und sie würden es auch nie erfahren.
Als die Menschen vorbeigezogen waren, erwiderten Lundel und Dundel: „Nun ist unser größter Wunsch in Erfüllung
gegangen… Es war einfach großartig! Am liebsten würden wir für immer hier hängen und diese wunderbaren Geschöpfe
und diese wunderbare Landschaft von oben betrachten.“ Die anderen stimmten ihnen zu und so sollten sie noch einen
weiteren Tag in dieser Traumblase schwelgen.
Am nächsten Morgen wurde die Stille wieder von menschlichen Wesen unterbrochen, aber dieses Mal waren es andere.
Hier spürten sie nichts. Diese Geschöpfe waren ihnen gleichgültig.
Weshalb konnten sie sich nicht erklären und auch das würden sie niemals erfahren.
Am darauffolgenden Abend begannen Schrindel und Lindel zu schluchzen: „Alles sieht gleich aus. Es passiert nichts,
außer, dass ab und zu menschliche Wesen vorbeikommen. Das Leben hier ist so einfältig.“ Auch Schrumpf und Dumpf
begannen zu klagen: „ Uns ist langweilig, wir vermissen die Abenteuer...Jeden Tag sahen wir etwas neues und das Ausruhen
hat viel mehr Spaß gemacht!“
Lundel und Dundel riefen: „Oh Glanz, oh Kranz, lass unseren Wunsch ein Ende finden! Wir vermissen unsere stinkenden
tollen Füße! Wir vermissen die Erde! Auch von unten ist die Welt erstaunlich und voller Wunder! Das ist uns nun klar
geworden…“
Weit weit weg, an einem weit entfernten Ort umspielte ein Lächeln die Mundwinkel der schwarzen Stiefel, deren Arbeit für
dieses Jahr erledigt zu sein schien, denn sie standen an dem Platz, den sie erst wieder im nächsten Dezember verlassen
sollten.
Die Bitte von Schrumpf und Dumpf, Lundel und Dundel und Schrindel und Lindel war erhört worden, denn am nächsten
Morgen standen sie wieder unter der warmen vertrauten Heizung.
Der Weihnachtszauber war zu Ende und Normalität kehrte ins Haus zurück. Jedoch vergaßen die Schuhe nicht, was sie
gelernt hatten:
Ihr Dasein hatte eine Bedeutung, sie wurden gebraucht.
Seit diesem Tag schätzen sie die Abenteuer, die sie täglich mit ihren stinkenden und manchmal gut duftenden Füßen
erlebten. Es war nicht mehr schlimm, dass sie alles nur von unten sahen, denn sie hatten erkannt, dass die Welt egal
ob von oben oder unten wundervoll ist. Es kommt darauf an, wie man sie selber sieht und erlebt.

 

 

Lisa Kempter


Verwirrt

 

 

Ich hasse ihn. Mein Bruder hat meine Autoschlüssel versteckt und ich kam zu spät zur Arbeit. Mein Job ist weg und ich kam zu spät zur Arbeit. Mein Job ist weg und mein Bruder ist noch da. Ich hasse ihn.

 

Was ist heutzutage nur los? Die Welt ist nicht mehr alleine durchzustehen. Du brauchst Leute, die dir helfen. Aber was, wenn du nicht mehr weißt, wer dir hilft?

 

Was, wenn du niemanden mehr hast, der dir hilft? Was, wenn du niemanden mehr willst, der dir hilft? Was ist dann?

 

Ich war auf dem Weg zur Arbeit, glaubte ich zumindest. Ich konnte mich nicht mehr richtig erinnern. Ich blieb mitten in der Stadt stehen und die Erinnerung war weg. Wo wollte ich hin? Ich nahm mein Handy, um jemanden anzurufen, aber wer war es noch gleich? Ich wusste es einfach nicht mehr. Vielleicht würde der Name mir wieder einfallen, wenn ich ihn lese, dachte ich. Wie lautete denn nochmal mein PIN? Ich war ratlos. Ich wollte einen Passanten fragen, der gerade an mir vorbeilief. Ich ging zu ihm und blieb dann stehen. Was wollte ich ihn noch gleich fragen? Da sah ich meinen Bruder, der panisch auf mich zu lief. Ich machte den Mund auf. Dann schloss ich ihn wieder. Was wollte ich diesem Fremden noch gleich sagen? Wieso wollte ich ihm etwas sagen? Wieso weinte er? Ich ging in eine nahegelegene Bar, aber wusste nicht wieso. „Einen“ Ich beendete meinen Satz eher, als gedacht, denn ich wusste nicht mehr, was ich bestellen wollte. Der Mann hinter dem Tresen starrte gebannt auf den Fernseher. Alle starrten dort hin. Ich wollte wissen, was so interessant war und sah mir die dort laufende Nachrichtensendung ebenfalls an. Man zeigte einen Mann, mich, am Steuer meines kaputten Autos mit einer Kopfverletzung. Unter dem Bild stand „Mann bei Autounfall gestorben“ Zum Glück kannte ich diesen Mann nicht.

 

Ein Mann stieg an einem Tag in ein Auto. Er fuhr und fuhr, aber kam nirgendwo an. Zurückfahren konnte er auch nicht, denn wo Zurück war, das hatte er vergessen. Und das einzige, was er wusste war, dass er, auch wenn er sich erinnern würde, niemals zurückkommen würde.

 

 

 

Kai Philipp


 

Gitarrensolo

 

 

 

Sie stieß die Tür mit voller Wucht auf und stampfte mit Gitarre auf dem Rücken aus dem Kleinfamilienhaus.

 

„Du kommst sofort zurück!“, brüllte ihre Mutter voller Wut. Sie drehte sich um und schrie: „Halts Maul! Du hast mir nichts zu sagen! Du bist nicht der Herr Gott auf Erden!“ Sie stampfte schneller weiter, während ihre Mutter irgendetwas herumbrüllte. Sie erwiderte es mit einem lautstarken „Fick dich!“. Voller Wut rannte sie durch die Kleinstadt zu dem Haus von einem ihrer einzigen Freunde. Auf dem Weg sah sie Nero. Sie rannte etwas freudiger auf ihn zu und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Als er sie bemerkte, öffnete er seine Arme und umarmte sie fest. „Was ist dieses Mal gewesen?“ „Ach, meine Mutter ist ein Arschloch, sonst nichts!“, murmelte sie in seine Lederjacke. Sie liefen weiter und redeten über ihre Probleme. Nero strich sich ein paar Mal durch seine rot-gelben Haare, um seinen punkigen Style nicht zu verlieren. Sie bemerkte auf einmal ein Würgemal auf Neros Hals, das von einem Halstuch fast komplett bedeckt wurde. Erschrocken riss sie die Augen auf: „Wer war das?“ Er zuckte zusammen und strich sich mit seiner rechten Hand über das Mal. „Mein Vater hat das neue Piercing entdeckt“, murmelte Nero sehr bedrückt. Voller Mitgefühl schaute sie in seine nussbraunen Augen und drückte sich an ihn. Sie konnte hören, wie er anfing, leise zu weinen und drückte sich sanft noch fester an ihn. Nach ein paar Minuten ließen sie sich los und schlenderten etwas befreiter zu ihren Ziel. Antony wartete schon mit Sonja und Chris in der Garage seines Hauses. „Da seid ihr ja endlich!“, rief Antony freudig und trommelte ein paar Takte auf seinem Schlagzeug. Sonja schlüpfte hinter dem Keyboard hervor und kam mit einem großen Lächeln und erhobenen Armen auf die beiden zu; sie hatte sich offensichtlich erneut geritzt. Chris blieb mit seinem Bass auf seinem Platz, während er freundlich grinste. Nach ihren Begrüßungshandschlägen ging Nero ans Mikrofon, Sonja ans Keyboard, Chris an den Bass, Antony ans Schlagzeug und sie packte ihre Leadgitarre aus. Sie spielten eines ihrer Lieblingslieder. Perfekt harmonisierten sie miteinander und Nero sang voller Emotion. Sonja rockte ihr Keyboard. Chris hatte seinen Bass voll im Griff. Antony gab den Beat an und sie verpasste dem Lied eine rockige Melodie.

 

„Eine schöne Erinnerung“, denkt sie sich, während sie sich im Schneidersitz und Gitarre in der Hand vor Neros Grab sitzt. Eine Träne rollt ihr über das Gesicht und sie fängt an den Saiten der Gitarre zu zupfen. Sie spielt eines seiner Lieder. Leise singt sie den positiven Text und weint leise.

 

Es war vor zwei Monaten: sein Vater und er mussten einkaufen gehen. Sein Vater hatte getrunken und war total besoffen. Sie seien von einem Zug erfasst worden, meinte die Polizei zu uns. Nero sei sofort tot gewesen. Nun beginnt das Gitarrensolo, das Nero extra für sie eingebaut hatte, um dem Lied ein gutes Ende zu verpassen. Sie lächelte traurig und ließ das Lied verstummen. Sie beugte sich etwas vor und flüsterte mit trauriger Stimme: „Sonja hat aufgehört mit dem Ritzen. Antonys Mutter ist aus dem Gefängnis. Chris hat seinen Krebs im Griff. Und ich bin jetzt in einer netten Familie. Wir spielen immer noch deine Songs. Wir vermissen dich!“ Dann steht sie auf und geht langsam zu dem dunkelblauen Auto, das auf sie wartet. Das Lied hallt immer noch in ihrem Herzen nach und sie lächelt aus vollem Herzen.

 

 

Von Kim Prigge

 


 

Verborgen

 

Geheimnisse. Verborgen in einer Sammlung von Buchstaben, die zu Wörtern werden. Keiner kennt sie, doch sind sie leicht zu enthüllen. Es macht mich traurig, solche Schönheiten mit niemandem teilen zu können. Einsamkeit bestimmt mein Dasein und kein Ausweg ist sichtbar. Die Tür bleibt verschlossen und die Staubkörner kuscheln sich immer enger aneinander. Mit dem Ticken der Uhr vergeht die stille Zeit. Es war nicht immer so. Früher interessierten sich zwei alte Hände und trübe, glänzende Augen für meine Schätze. Als die Sonne aufging, öffnete sich die Tür und erst als die letzten Strahlen hinter den Bergen verschwunden waren, schloss sie sich wieder. Ich teilte mein Geheimnis und das machte mich glücklich. Dann kam DER TAG und die Tür öffnete sich nie wieder. Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht viel. Ich habe diesen Ort noch nie verlassen. Zu Beginn meines Daseins wusste ich überhaupt nichts. Eine zarte, weibliche Hand schenkte mir dieses Wissen. Nach und nach flossen aus der in Tinte getunkten Feder Buchstaben, die meine Seiten mit Worten füllten. Nur zwei Spiegel der Seele kennen meine Geheimnisse. Ich hoffe, dass sich die Tür eines Tages wieder öffnet, sonst wird der Inhalt meiner Seiten nie wieder enthüllt werden können. Das Geheimnis würde für immer verborgen bleiben.

 

 

...und plötzlich erfüllen Lichtstrahlen den Raum.

 

 

Lisa Kempter

 


Dunkel

 

 

 

Es ist dunkel.

 

Tief atme ich die frische Meeresluft ein. Die kühle, salzige Brise, die das breite gewebte Band auf meinem Kopf flattern lässt. Sanft streicht der nach Algen und Salz duftende Luftzug über meinen freien Nacken und lässt alle noch vorhandenen feinsten Härchen sich aufstellen. Ich strecke meinen Arm aus und kratze an einem Mückenstich an meinem Bein. Es schmerzt, aber das stört mich nicht. Im Gegenteil! Der Schmerz gibt mir dieses sichere Gefühl. Omama war eine tolle Person. Sie ist immer mein größtes Vorbild gewesen. Ich sehe ihre ergrauten dünnen  Haare und ihr runzliges, vom Wetter gegerbtes Gesicht vor mir, als wäre es gestern gewesen. Sie waren schon lange ergraut, ihre Haare, aber dennoch war es nicht stumpfgrau. Nein. Ein immer präsenter, lebendiger, silberner Schimmer, der ihr besonders im Sonnenlicht einen königlichen Anschein verlieh, umspielte immer ihr gelocktes Haar.

 

Es ist dunkel.

 

Langsam hebe ich meine Hand und streiche über den so ungewohnt glatten Kopf. Es spürt jeden einzelnen Finger und meine Finger, so abgemagert, wie sie sind, fühlen jede kleinste Delle in der Kopfhaut. Ein Rad knarzt. Ich taste nach der Bremse und ziehe sie fester an. Von weitem trägt der Wind Kinderschreie heran. Eine Böe wirbelt Sand auf und bläst ihn mir gegen die nackten Füße. Wie Nadelstiche treffen sie meine Haut.

 

Eines Abends- ich war wie so oft bei Omama im Krankenhaus. Schläuche führten in ihre Nase, in ihren Arm, den Mund. Auch an ihrer Brust waren welche befestigt. Stetig flossen irgendwelche Flüssigkeiten durch diese. Ich wollte gar nicht wissen, was das alles war. Langsam drehte sie ihr altes Gesicht mit den so vertrauten falten, die ich wohl nie haben werde, zu mir und sagte ganz ruhig, als wäre sie von all den Geräten im Zimmer nicht betroffen: „Weißt du? Jeder Mensch, der jetzt zur Tür rein kämme, und mich sehen würde, würde denken: Die arme Alte. Das ist ja schrecklich! Die ist ja bereits halb tod. Gib´s zu, das waren auch deine Gedanken!“  Sie streckte einen fleckigen Finger aus und pickte mich mit erstaunlicher Kraft in die Brust.  „Aber sie liegen falsch! Merk dir: Wenn du fast nichts mehr mitbekommst, dann wirst du dich über die Schmerzen freuen. Denn solange sie da sind, hast du noch die Möglichkeit zu kämpfen. Solange es die Schmerzen gibt, gibt es dich auch!“ Sie gluckste. „ Ach ja, und noch was … Ein Krebs … gehört ins Meer…“ Mir war nicht so nach Lachen zumute. Wirklich verstanden hatte ich sie auch nicht.

 

Es ist dunkel.

 

Die Szene mit Omama geht mir jetzt durch den Kopf. Ich denke, ich beginne sie zu verstehen. Zwei Mädchen rennen kreischend in die Wellen. Als ich mich bücke, um die raue Tasche zu öffnen, in der meine Mutter die Sonnencreme aufbewahrt, stöhne ich auf. Ich presse die Hand gegen die Stelle an der Hüfte, wo sie mir Knochenmark entnommen haben. Schließlich schaffe ich es dann doch die kleine Flasche mit feingeriffeltem Deckel herauszunehmen, zu öffnen und meinen kahlen Kopf mit der kühlen Creme einzureiben. Meine Mutter ruft. Ich drehe den Rollstuhl um. Die Räder knirschen im Sand.

 

Es ist dunkel.

 

Mir schießt ein schlechter Witz durch den Kopf: Ein Krebs gehört ins Meer. Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem sarkastischen Grinsen. Witzig.

 

Es ist dunkel. Warm streichelt die Mittagssonne meinen kahlen Kopf.

 

Johanna Zander

 


Dillstraße 9-11

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